01_c-picture-alliance-Zumapress.com-Jeff-Mcintosh_72dpi.jpg

Ernährung im Klimawandel

Die Ernährungssysteme befeuern weltweit die Erder­hitzung. Laut dem Weltklimarat IPCC war die Landwirtschaft zwischen 2007 und 2016 für 23 Prozent der menschlichen Treibhaus­gas­emissionen verantwortlich. Gleichzeitig verändert der Klimawandel auch die ­Landwirtschaft. In einigen Regionen verschieben sich die Vegetationsperioden, Extrem­wetter­ereignisse wie Starkregen nehmen zu, Schädlinge erschließen sich neue Lebensräume. Die Politik steht vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss die globale Landnutzung nachhaltiger gestalten und sie zudem an den Klimawandel anpassen, um die Ernährung der Menschheit zu sichern.

Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft

03_c-state-Infografik-1_72dpi.jpg


Folgen der Klimaerhitzung für einen Obsthof

02_c-Gordon-Welters-laif_72dpi.jpg


 Die Bürger*innen nicht länger hinhalten

01_Franziska-Blohm_c-Carolina-Rossi-72dpi.jpg
Franziska Blohm, Jahrgang 1992, ist auf einem Obsthof im Alten Land aufgewachsen. Sie ist eine von neun ­jungen Menschen, die Anfang 2021 beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde gegen die Deutsche Klimapolitik eingelegt haben.

 

Was macht der Klimawandel mit dem Hof?

Wir spüren den Klimawandel schon seit Jahren. Es begann mit der Kirschfruchtfliege, die sich wegen der steigenden Temperaturen wohl fühlt und ihre Larven in die Kirschen setzt. Die Fliege breitet sich immer weiter aus, weil sie wegen der milden Winter gut überwintern kann und weil wir als Biohof keine chemischen Mittel einsetzen. 2016 mussten wir schweren Herzens vier Hektar Kirschbäume roden. Auch die Apfelbäume leiden: In den Hitze­sommern entwickeln sich die Äpfel schlecht und bekommen Sonnenbrand. Schädlinge wie der Apfelwickler vermehren sich zunehmend, Starkregen und Hagel schaden der Ernte zusätzlich. All das macht die Äpfel schwer verkäuflich, meist landet ein hoher Prozentsatz im Most oder Mus.

Was macht der Hof gegen den Klimawandel?

Wir haben eine Hagelversicherung für unsere Apfelbäume abgeschlossen.Wir sind seit Ende der 90er auf biologischen Anbau umgestiegen, Demeter zertifiziert und wirtschaften mit biologisch abbaubaren Produkten. Neben den Apfelbäumen haben wir auch Ausgleichsflächen: Auf unseren Blühwiesen leben Insekten und Nützlinge, für Vögel haben wir Nistkästen aufgehängt. Wir verkaufen unsere Äpfel regional. Und die 30 Hektar, auf denen unsere Apfel­bäume stehen, tragen maßgeblich zu einem guten Klima bei.

Warum klagen Sie vor dem Bundesverfassungsgericht?

Wir wollen, dass die Politiker*innen endlich Maßnahmen ergreifen und die Bevölkerung nicht länger hinhalten. Es ist an der Zeit zu handeln, und zwar sofort.


Klimagerechte Ernährung

04_c-state-Infografik-2_72dpi.jpg


Flächenverbrauch einzelner Mahlzeiten

05_c-state-Infografik-3_72dpi.jpg


Florian Sander über klimagerechtes Kantinenessen

02_Florian-Sander_c-Carolina-Rossi-72dpi.jpg
Florian Sander ist Geschäftsführer des Ernährungsrates Köln und Umgebung.

 

Ist eine Kantine ohne Schnitzel und Currywurst vorstellbar?

Muss ja gar nicht, das Schnitzel kann aus Sellerie oder Ersatzprodukten sein, das ist auch lecker. Abgesehen davon, ab und zu Fleisch ist kein Problem – als Angebot neben vegetarischen Gerichten.

Ist Bio in der Kantine zu teuer?

Großküchen können regionale und biologische Lebensmittel einsetzen, wenn sie wenig Fleisch anbieten und nach Saison kochen. Außerdem sind gemeinsame Einkäufe ein großer Hebel: Wenn etwa Kitas den Einkauf gemeinschaftlich organisieren, bekommen sie ganz andere Preise, als wenn sie das über den Direktvertrieb mit den Landwirten machen oder jede allein zum Handelshof geht.

Die Kantinen sollten sich vernetzen?

Ja, aber dafür sind auch neue Verarbeitungsstrukturen nötig: Betriebe, die vor Ort Kartoffeln schälen und schneiden zum Beispiel, die gibt es kaum noch. Darum kaufen die Köche vorverarbeitete Ware per Mausklick von Anbietern auf dem Weltmarkt.

Wo stößt klimagerechte Küche auf größeren Widerstand, bei den Köch/innen oder den Kund/innen?

Es gibt den Wunsch nach Veränderungen in den Kantinen, aber es gibt nicht die Zeit und Muße, die Strukturen anzugehen. Wer täglich 3000 Mahlzeiten kocht, kann nicht mal eben die Beschaffung umorganisieren. Es braucht Broker, die zwischen Anbietern vermitteln, es müssen langfristige lokale Bündnisse geschlossen werden.

Wie arbeiten Sie in Köln daran?

In einer Stadt wie Köln essen 20.000 Mitarbeiter der Verwaltung in Kantinen, es gibt 500 städtische Schulen, 300 Kitas, Krankenhäuser, dazu städtische Eigenbetriebe, das ist ein riesiger Tanker, den wir da bewegen wollen. Wir versuchen es mit Bewusstseinsbildung, wir arbeiten politisch, und wir haben Modellprojekte, in denen wir eine klimabewusste, ­regionale und biologische Versorgung proben.


Prognose über die künftige Verbreitung von Pflanzen und Tieren bis 2080

06_c-state-Infografik-4_72dpi.jpg


Heike Holdinghausen ist freie Autorin und Redakteurin der taz. Im Ressort Wirtschaft und Umwelt schreibt sie vor allem über Chemikalien-, Abfall- und Rohstoffpolitik und zu Naturschutzthemen. Ihr jüngstes Buch „Uns stinkt’s! Was jetzt für eine zweite ökologische Wende zu tun ist“ erschien 2019 im Westend-Verlag.

 

This article is licensed under Creative Commons License